Die interessanten Verbindungen zwischen der Roma-Kultur und dem Übersetzen

Wir von Translation Romani  haben uns dazu entschlossen, den Begriff Romani in allen Sprachversionen der Website beizubehalten. Er bezieht sich sowohl auf die Sprache als auch auf all die verschiedenen ethnischen Gruppen der Welt, d.h. Roma, Sinti, Manuš, Calé, Romanichal, Kalé und viele andere. Bitte lesen Sie die wichtigen Hinweise unserer Übersetzer zu Erklärungen und anderen Übersetzungen, die lokal, regional oder national verwendet werden.

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Die Dolmetschwissenschaft

Die junge akademische Disziplin der Dolmetschwissenschaft, die erst Anfang der 1990er Jahre also solche definiert wurde, befindet sich noch in einer aktiven Entwicklungsphase. Ähnlich wie die Übersetzungswissenschaft entwickelte sich die Dolmetschwissenschaft angefangen von Kommentaren und Beobachtungen zur Praxis zu einem internationalen interdisziplinären Fachgebiet voller theoretischer und empirischer Modelle, Methoden und Paradigmen. Die Dolmetschwissenschaft beschäftigt sich mit bzw. profitiert von der Forschung in anderen Bereichen wie der Soziolinguistik, Psycholinguistik, Pragmatik, Diskursanalyse, kognitiven Psychologie, Neuropsychologie, Neurophysiologie, interkulturellen Kommunikation, Informationswissenschaften und künstlicher Intelligenz.      

Eine Vielzahl von Umständen und Ereignissen haben zu einer festen Grundlage des Fachgebiets beigetragen. Der Franzose Paul Mantoux dolmetschte bereits 1919 auf der Pariser Friedenskonferenz. Die erste Generation ausgebildeter Simultankonferenzdolmetscher (aus Mannheim und Heidelberg) kamen bei den Nürnberger Prozessen (1945-1946) und bei den neu gegründeten Vereinten Nationen zum Einsatz. In den 1960er und 1970er Jahren ließen Otto Kade und die Leipziger Schule sowie Ghelly Chernov und die Sowjetische Schule die sprachwissenschaftlich fundierte Übersetzungswissenschaft bzw. die Psycholinguistik in die Dolmetschwissenschaft mit einfließen. Danica Seleskovitch und die Pariser Schule, insbesondere die École Supérieure d`Interprètes et de Traducteurs (ESIT), gründeten Kurse im Bereich Theorie und Methodik und legten den Grundstein für die Dolmetscherausbildung in Frankreich. Im Mittelpunkt dieser ersten Schritte stand hauptsächlich das Konferenzdolmetschen, sowohl simultan als auch konsekutiv. Auf größeren Konferenzen 1986 in Triest (Italien), 1994 in Turku (Finnland) und 1995 in Geneva Park (Kanada) trat man für mehr wissenschaftliche empirische Forschung ein und stärkte somit den Beginn der Dolmetschwissenschaft. Die jüngste internationale Zusammenarbeit zwischen Dolmetschern und Forschern hat sich als besonders produktiv erwiesen. Sie bringt in den westlichen wissenschaftlichen Diskurs die bedeutsamen Traditionen nicht-westlicher Länder wie Japan, China und Indien mit ein. Seit den 1990er Jahren gewinnt Community Interpreting, d.h. Dolmetschen im Bereich  des öffentlichen Diensts, stark an Bedeutung. Zu dieser großen Kategorie zählen Dolmetscher, die im Gesundheitswesen, an Gerichten, in Polizeirevieren, Einwanderungs- und Asylbehörden, an Schulen und in vielen anderen Sozialeinrichtungen dolmetschen. Community Interpreting steht in direktem Zusammenhang mit weltweiten Migrationsbewegungen, Einwanderung und lokalen Migrantengemeinschaften. Es befasst sich neben praktischer Übung zur Förderung kognitiver Fähigkeiten mit soziologischen und ethischen Angelegenheiten. Community Dolmetscher sind nicht nur Sprach- und Kulturmittler, sondern vermitteln auch bei einer Vielzahl von unterschiedlichen sozialen und ethnischen Spannungen und Rassenkonflikten, z.B. bei gesellschaftlichen Stereotypen und Vorurteilen.

Die Forschung im Bereich der Dolmetschwissenschaft entwickelte sich mit der Gründung von Studiengängen und der Veröffentlichung von Literatur zu diesem Thema. Diese beschäftigen sich hauptsächlich mit drei großen Themengebieten: kognitive Verarbeitung, berufsbezogene Angelegenheiten und praktische Übung. Studien untersuchen sprachwissenschaftliche Themen in Bezug auf die kognitive Belastung (Effort Model), das Arbeitsgedächtnis und die Hirnfunktionen und Aktivierungsmuster beim Dolmetschen. Nutzererwartungen, Bewertungen und Reaktionen als Qualitätsindikatoren sind weitere wichtige Forschungsgebiete, genauso wie die soziale Rolle von Dolmetschern in unterschiedlichen Kontexten, die Sprachrichtung sowie die Frage, inwiefern der Dolmetscher beim Community Interpreting miteinbezogen werden soll. Von großer Bedeutung sind die traditionellen Fragen nach Treue und Genauigkeit hinsichtlich Bedeutungstransfer, Fehler und Auslassungen. Das 21. Jahrhundert erlebt eine starke Zunahme der Dolmetschaktivität und ‑wissenschaft. Dazu zählen Dolmetschen der Gebärdensprache, Dialog- und Teledolmetschen, Videoteledolmetschen, Speech-to-Speech-Übersetzungssysteme wie auch die Entwicklung von Tools und Technologien zur Datensammlung und Analyse von Sprachdaten. Die Schnelligkeit und Spontanität des Dolmetschens finden neue Formen in zwei- und mehrsprachigen Online-Umgebungen, von Unterhaltung bis hin zu Dolmetscher-unterstützter medizinischer Hilfe.  Dies wird in den nächsten Jahren zweifellos zur Forschung in der Dolmetschwissenschaft beitragen.   

Literaturhinweise:

Baigorri-Jalón, Jesús (2004), Interpreters at the United Nations: A History, Salamanca: Ediciones de la Universidad de Salamanca.

Baker, Mona and Gabriela Saldanha (eds), Routledge Encyclopedia of Translation Studies. 2nd Edition, London / New York: Routledge, 2009.

Gaiba, Francesca (1998), The Origins of Simultaneous Interpretation: The Nuremberg Trial, Ottawa: University of Ottawa Press.

Gambier, Yves and Luc Van Doorslaer (eds), Handbook of Translation Studies. Vol. 1, Amsterdam / Philadelphia: John Benjamins Publishing Company, 2010. Also online. Translation Studies Bibliography Online (2004).

Hale, Sandra Beatriz (2007), Community Interpreting, Hampshire / New York: Palgrave Macmillan.

Pöchhacker, Franz (2004), Introducing Interpreting Studies, London / New York: Routledge.

Pöchhacker, Franz and Miriam Shlesinger (eds), The Interpreting Studies Reader, London / New York: Routledge, 2002.


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